Verbrauchssimulation von E-Fahrzeugen.

E-Fahrzeuge, Reichweite, reale Fahrzeugeigenschaften, reale Nutzungsbedingungen

Das DieMo-Wissenschaftler-Team diskutiert über das im Fraunhofer LBF entwickelte Verbrauchsmodell.

Die Reichweitenangst ist im Zusammenhang mit der Elektromobilität einer der Begriffe, die am häufigsten fallen. Neben hohen Anschaffungskosten ist dies in der Regel ein wesentliches Kauf- und Nutzungshemmnis. Dahinter steckt die Befürchtung des Fahrzeugnutzers, dass die Batteriekapazität seines E-Fahrzeugs für die geplante Fahrstrecke nicht ausreicht und er mit seinem Fahrzeug liegen bleibt. Dies wiegt doppelt schwer, da die Batterieperformance wie auch die Ladeinfrastruktur den unerfahrenen Nutzer aus seiner Komfortzone zwingen.

Reale Verbrauchsschätzung vor der Fahrt

Im Verbundvorhaben DieMo RheinMain wurden innovative Dienstleistungen für die elektrische Mobilität im Rhein-Main Gebiet entwickelt. Das Fraunhofer LBF hat in diesem Zusammenhang ein Simulationsmodell entwickelt, um die Reichweite von E-Fahrzeugen anhand unterschiedlichster Fahrbetriebsbedingungen zuverlässig berechnen zu können. Durch Verwendung einer modellbasierten Verbrauchsberechnung in einem Routenplaner lässt sich eine realistische Reichweite schon vor Fahrtbeginn ermitteln.

Zwar ist zu jedem E-Fahrzeug eine allgemeine Verbrauchsangabe vorhanden und in den Fahrzeugdatenblättern einsehbar, jedoch kann der reale Verbrauch stark variieren. Gerade im Winter kann aufgrund der kalten Temperaturen im Vergleich zum angegebenen durchschnittlichen Verbrauchswert die Reichweite im Fahrbetrieb um bis zu 40% niedriger liegen. Um diesen Wintereffekt und weitere Einflussfaktoren wie Beladung und Streckensteigung abbilden zu können, wurde am Fraunhofer LBF ein entsprechendes Fahrzeugmodell zur Verbrauchsberechnung von E-Fahrzeugen entwickelt.

Das Modell basiert auf Daten des Fahrzeugs, des Antriebsstranges und der Reifen, berücksichtigt aber auch wesentliche Nebenverbraucher wie Heizung und Klimaanlage. Anhand verfügbarerer technischer Daten, wie Fahrzeugabmessungen, Fahrzeugmasse, Batteriekapazität, E-Motortyp und entsprechender Motorkenndaten, kann das Modell mit Hilfe einer entwickelten Parametrierungsmethodik flexibel an unterschiedliche Fahrzeugtypen angepasst werden. So wird für das Modell beispielsweise aus einem E-Smart ein Nissan Leaf oder auch ein Tesla. Als Eingangsgrößen dienen für die Verbrauchsberechnung die Fahrzeuggeschwindigkeit bzw. Geschwindigkeitsprofile mit Beschleunigungs- und Bremsvorgängen, der Streckenverlauf mit entsprechenden Steigungen, die Außentemperatur und die Fahrzeugbeladung. Diese Größen liegen aus Messdaten, synthetischen Profilen und Straßenkarten vor. Die finale Ausgangsgröße ist der Gesamtverbrauch der simulierten Fahrt in kWh/km bzw. die Restreichweite, die noch zur Verfügung steht.

Die simulierten Ergebnisse wurden mit realen Fahrten der E-Forschungsflotte des Fraunhofer LBF verglichen. Hierzu wurden insbesondere Fahrten bei unterschiedlichen Außentemperaturen auf der LBF-Referenzstrecke durchgeführt. Die LBF-Referenzstrecke setzte sich aus Stadt-, Land- und Autobahnabschnitten mit unterschiedlichen Steigungsanteilen zusammen. Zusätzlich erfolgten Einzelmessungen der Nebenverbraucher im Stand. Während der realen Messfahrten zeigten die verschiedenen Fahrzeugmodelle sehr unterschiedliche Temperaturabhängigkeiten. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass die Klima- und Heizungsanlage einen erheblichen Einfluss auf den Gesamtverbrauch hat. Beladung, Streckensteigung und das Geschwindigkeitsprofil sind ebenfalls nicht zu vernachlässigende Einflussfaktoren. Bei einer Außentemperatur um die 20°C benötigt die Klima- und Heizungsanlage in der Regel keine Leistung, um den Fahrzeuginnenraum auf Wunschtemperatur zu halten. Im Sommer bei Temperaturen um die 30°C kann der Leistungsbedarf beispielsweise bei 0,5 – 1,5 kW liegen und im Winter bei Temperaturen um die -10°C bei 2,5 – 4,5 kW. Diese Werte schwanken je nach Fahrzeug und dem Stand der verbauten Technik. Der erhöhte Energiebedarf zum Heizen des Innenraums ist einer der Hauptgründe, weshalb im Winter die Reichweite eines E-Fahrzeuges geringer ist.

Das finale Modell zeigte für die untersuchten Fahrzeuge eine gute Übereinstimmung mit den realen Messfahrten. Während allgemeine Herstellerverbrauchsangaben den Verbrauch der Fahrzeuge auf der LBF-Referenzstrecke um im Durchschnitt 25% unterschätzten, errechnet das LBF-Modell gegenüber den realen Verbräuchen im Durchschnitt einen um 5% leicht erhöhten Bedarf. Allerdings bleibt man mit dieser Überschätzung auf der sicheren Seite und ist vor dem Liegenbleiben geschützt.

Die LBF-Referenzstrecke in Darmstadt und Umgebung.

Auf dem Parktplatz vor einem modernen Institutsgebäude stehen verschiedene Pkw. Sie tragen alle ein Logo mit der Aufschrift "LBF-emobil" und sind Forschungsfahrzeuge.

Einige Fahrzeuge der LBF-Forschungsflotte.

Der Tesla unter extremen Straßenbedingungen.

Der Vergleich von Simulationsmodell und realen Messfahrten zeigt ein gute Übereinstimmung.

Integration in Routenplaner möglich.

Das neu entwickelte Fraunhofer Fahrzeugmodell ist hinsichtlich der Schnittstellen so aufgebaut, dass es für eine Integration in einen Routenplaner genutzt werden kann. Es besteht die Möglichkeit, das Gesamtmodell im Rahmen einer Onlineanwendung „live“ zu simulieren oder die Verbrauchsergebnisse streckenkantenbasiert für eine Datenbank zur Verfügung zu stellen. Die Verbrauchswerte werden im zweiten Fall für jede einzelne Kante des Streckennetzes in definierten Stufen (bspw. Temperatur: schrittweise -10°C bis 30°C, Beladung: leer, mittel, voll) hinterlegt. Für diese Umsetzung wird das Fahrzeugmodell für alle Streckenkanten mit einer Vielzahl an Kombinationen der statischen (z. B. Zuladung oder Fahrzeugtyp) und dynamischen (z. B. Temperatur oder Verkehrslage) Inputparameter des Routenplaners simuliert.

Förderer und Partner

Ihr Ansprechpartner zu diesem Projekt