Elastomerlagermodell mit einstellbaren Alterungseffekten.

Simulation, Übertragungsverhalten, Alterung, Elastomerlager

Untersuchung von Alterungseffekten auf Elastomerbauteile an servohydraulischen Prüfständen.

Elastomerkomponenten mit ihrem komplexen Verhalten stellen eine große Herausforderung für die Mehrkörpersimulation dar, wobei das Übertragungsverhalten dieser schwingungsdämpfenden Bauteile das gesamte System beeinflusst. Im realen Einsatz kann sich genau dieses Verhalten durch äußere Einwirkungen (mechanische Beanspruchung, Temperatur, Sauerstoff, Medieneinfluss, …) stark verändern, was zum aktuellen Zeitpunkt in der Simulation nicht berücksichtigt wird. Das Fraunhofer LBF hat sich mit diesem Thema auseinander gesetzt und einen Alterungsparameter in das eigene LBF-Lagermodell integriert.

Veränderung von Eigenschaften im Betriebslastennachfahrversuch (BLNV).

Experimentelle Alterung und Modellbildung von Elastomerbauteilen

Durch diverse Einflussfaktoren verändern sich über die Einsatzzeit das Übertragungsverhalten und somit auch die Kennlinien von Elastomerbauteilen. In einem Forschungsprojekt bestand das Ziel in der Identifizierung und Definition einer Funktion, die den Alterungszustand eines Elastomerbauteils umfassend beschreiben sollte. Diese Funktion ist in eine geeignete mathematische Formulierung integriert worden. Das resultierende Abhängigkeitsmodell bietet die Möglichkeit, in numerischen Berechnungsmethoden das Übertragungsverhalten von Elastomerbauteilen auf Basis der Vorgeschichte zu justieren. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, zwischen Kennlinien unterschiedlicher Alterungsstufen zu wechseln oder diese zu extrapolieren, ohne den kompletten Basisparametersatz für die jeweilige Simulation zu ändern.

In experimentellen Untersuchungen wurden hierfür die Einflüsse diverser Faktoren auf das Übertragungsverhalten analysiert. Hierbei wurden die Lager sowohl thermo-oxidativ gealtert, als auch in verschiedenen Varianten mit mechanischen sowie kurzzeitigen thermischen Lasten beansprucht. Vor und nach den jeweiligen Beanspruchungen wurden die gealterten Lager charakterisiert. Die experimentell ermittelten Daten wurden zur Identifikation von Korrelationen zwischen Bauteilverhalten und Alterungszustand analysiert. Dazu wurden verschiedene Eigenschaften definiert, anhand derer Alterungsstufen zu erkennen sind. Typische Änderungen sind zum Beispiel in der dynamischen Steifigkeit und der eintretenden Progression der Kraft-Weg-Hysteresen sichtbar. Aus diesen Eigenschaften wurden allgemeine Trends abgeleitet und anschließend Abhängigkeitsmodelle entwickelt.

Zur Verifikation dieser Modelle wurde für die Mehrkörpersimulation (MKS) das LBF-Lagermodell mit den Abhängigkeitsmodellen erweitert. Über spezielle Parameter kann der Alterungszustand und somit das Übertragungsverhalten während der Simulation eingestellt werden. Die Validierung der Ergebnisse erfolgte durch synthetische Signale. Die Untersuchungen ergaben, dass die experimentell ermittelten Charakteristiken von gealterten Bauteilen mit dem Modell gut reproduziert werden können.

Damit ist es zukünftig möglich, zwischen Alterungszuständen zu interpolieren und zu extrapolieren. Dadurch ergeben sich zwei Anwendungsszenarien:

  1. Der Kunde kann die Alterung in Form von Kennwerten spezifizieren. Zusammen mit den Informationen und einer Parametrierung für das nicht gealterte Elastomerbauteil, kann eine künstliche Alterung erfolgen, ohne eine gealterte Charakterisierung als Referenz vorliegen zu haben.
  2. Die Alterung kann an einem nicht gealterten Zustand und einem definierten gealterten Zustand identifiziert werden. Dazu sind zwei Messungen unterschiedlicher Alterungszustände mit je einer Charakterisierung notwendig. Zwischen-Alterungsstufen sind nicht mehr erforderlich, wodurch die Prüfzeiten auf ein Minimum reduziert werden können.

Abb. 2a: Experimenteller Einfluss der Alterung auf die quasistatische Kraft-Weg-Hysterese und der dynamischen Steifigkeit in Abhängigkeit von der Schwingspielzahl.

Abb. 2b: Experimenteller Einfluss der Alterung auf die quasistatische Kraft-Weg-Hysterese und der dynamischen Steifigkeit in Abhängigkeit von der Schwingspielzahl.

Abb. 3: Einfluss der experimentellen Erweichung während der Lebensdauer bei gleichbleibendem Wegsignal auf die Kraftantwort eines Elastomerbauteils. Verglichen werden die Kraftsignale eines nicht gealterten (Referenzsignal) und gealterten Elastomerbauteils. Die Bewertung erfolgt auf Basis eines Lastkollektivs und einer fiktiven Schadensakkumulation.

Die Anwendung des Modells wurde exemplarisch an einer Bauteilgruppe mit betriebslastähnlichen Signalen demonstriert. Die Einbindung des Abhängigkeitsmodells zeigt, dass das Schädigungsverhalten von Elastomerbauteilen einen erheblichen Einfluss auf das Komponentenverhalten hat und damit u.a. die Berechnung von Kräften für die Betriebsfestigkeitsbewertung von Bauteilen verbessert wird. Um diesen Einfluss in einer frühen Entwicklungsphase zu berücksichtigen, kann die Identifizierung der Schnittlasten für die weitere Baugruppenauslegung von hohem Interesse sein. Damit leistet das LBF-Lagermodell einen wesentlichen Beitrag zu Absicherung in der Fahrzeugauslegung.

Autor
»Die Alterung von Elastomerbauteilen zeigt, abhängig vom Bauteil, teilweise große Einflüsse auf das Übertragungsverhalten. Mit der Berücksichtigung von Abhängigkeitsmodellen in der numerischen Systemsimulation können Alterungszustände abgeschätzt werden, die es ermöglichen, Bauteilbelastungen nicht nur zum Ausgangszustand der Systemkompononenten zu ermitteln sondern auch unter Berücksichtigung von Alterungseffekten der Bauteile.« Timo Sandkühler, M. Eng.

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